#03 Peppilotti in Wien
Ein heißer Sommertag kündigte sich an. Peppilotti und die
Waldbewohner suchten den gemeinsamen Bach auf und nahmen ein Bad darin. »Es
könnte gewittern, der klare Himmel täuscht«, eröffnete Peppilotti das Gespräch.
»Zeit, nach dem Rechten zu sehen«, erwiderten die Kohlmeisen, »unsere Behausung
bedarf einer dringenden Renovierung.« »Die Hitze heute ist beinahe
unerträglich«, schwirrten die Schmetterlinge. »So hoffen wir auf Regen, der uns
Erleichterung verschafft«, sangen die Pflanzen. Und wie durch Zauberhand fielen
die ersten dicken Tropfen vom Himmel herab und zauberten im Nu ein paar neue
Tümpel. Das Gewitter blieb aus. Die Luft war gereinigt, das Moos atmete auf.
Ganz zaghaft kündigte sich der unverkennbare Duft der Waldpilze an.
Zur selben Zeit, auf einem benachbarten Ferienressort,
fristeten zwei Brieftauben ihr Dasein. Ihre Tage verbrachten Taubsi und
Täubchen in einem viel zu engen Käfig, von dem sie nur einmal pro Tag ihre
kleine Runde um das ausgedehnte Ressort ziehen durften. Willkommene Abwechslung
bot ihnen der Nachmittag, wenn Kinder vor Ort waren und sie fütterten. Taubsi
und Täubchen bemühten sich um die Gunst der Gäste. Leider waren nicht alle so
freundlich zu ihnen. Zu viele unwahre Märchen rund um Tauben verwirrten die
Köpfe der Menschen.
An diesem heißen Sommertag planten sie ihrem tristen
Dasein ein Ende zu bereiten. Sie trainierten bereits seit Tagen ihre
Flugfähigkeit und bohrten mit ihren Schnäbeln ein Loch in den Zaun des Käfigs.
Als es auf dem Gelände ruhig wurde, flohen sie durch das Loch in ihre Freiheit.
Von den Spatzen hatten sie gehört, dass Peppilotti eine friedliebende, weise
Eule ist. Vielleicht konnten sie mit ihren Fähigkeiten der Waldgemeinschaft
nützlich sein? »Alles ist besser, als das, was wir jetzt vorfinden. Was meinst
du, mein Schatz?«, fragte Taubsi sein Täubchen. »Ich vertraue auf deine
Intuition, mein Liebster«, gurrte diese. Und so flogen sie in der ersten Nacht
ihrer neuen Freiheit in Peppilottis Wald.
Taubsi nahm all seinen Mut zusammen, räusperte sich und
sprach: »Verehrte Waldbewohner, erlaubt uns eine Audienz bei der weisen Eule
Peppilotti.« Die Eule war sogleich zur Stelle und lachte so laut, dass auch die
bereits in Ruhe befindlichen Tiere wieder aufstanden. »Nanu, was ist los?«,
fragten sich die Waldbewohner.
Peppilotti noch immer lachend, antwortete: »Ihr lieben
Brieftauben, Audienz erbitten muss hier keiner. Wir alle begegnen uns auf
Augenhöhe. Jeder weiß, was er für die Gemeinschaft zu tun hat. Jeder Gast ist
uns herzlichst willkommen!« Erleichtert atmeten die Brieftauben auf. Sie
erzählten von ihrer jahrelangen Gefangenschaft und von ihrem Wunsch, dass sie
für den Wald einen nützlichen Beitrag leisten wollten.
»Euch schickt der Himmel! Tatsächlich benötige ich
dringend Hilfe. Für meine Reise nach Wien gibt es noch offene Fragen: Benötige
ich über das Große Deutsche Eck einen Reisepass? Wo kann ich auf dieser langen
Reise eine Zwischenübernachtung einlegen? Könntet ihr für mich auskundschaften,
welche Menschen interessant sind, welche etwas zu erzählen haben? Traut ihr
euch diesen langen Flug zu? Würdet ihr Johann und Lilly eine Grußbotschaft
vorbeibringen wollen? Bitte gesellt euch zu uns, damit wir Pläne schmieden
können. Wir besitzen auch einen großen Atlas, eine wertvolle Unterstützung für
meine Reisepläne.«
Bereits am nächsten Tag begaben sich Taubsi und Täubchen
auf ihren ersten langen Flug seit ihrer Gefangenschaft. Um den Hals trugen sie
eine Phiole, mit jeweils einen Brief für Lilly und Johann. Über Osttirol
gelangten sie auf schnellstem Wege zu Johann nach Kärnten. Dieser freute sich
über ihren Besuch und noch mehr über den Brief von Peppilotti. Er schrieb seine
Empfehlungen auf einen Zettel und steckte diese in die Phiole. Nach einer
kurzen Rast flogen die Tauben weiter in die Steiermark zu Lilly. Auch diese
erhielt eine Nachricht von Peppilotti. Und
auch sie schrieb ihre Empfehlungen auf einen kleinen Zettel. Auf dem Rückweg
gelangten die Brieftauben über Oberösterreich und Salzburg ins Große Deutsche
Eck und unterhielten sich dort mit den ansässigen Tieren. »Siehst du, mein
liebes Täubchen, meine Intuition war vollkommen richtig. Jetzt können wir
helfen und nebenbei wundervolle Menschen kennenlernen. Wie sagten die Kinder
immer, die zu uns kamen: ‘Eine coole Sache!‘ Es fühlt sich so frei und
unbeschwert an, findest du nicht auch, mein Täubchen?« »Ja«, antwortete die
bessere Hälfte, »du bist und bleibst der weltbeste Täuberich, den man sich
vorstellen kann!«
Im Waldstück angekommen, berichteten beide abwechselnd
von ihrer Reise. Einen Reisepass benötigte Peppilotti nicht, da der Luftraum
neutrales Gebiet darstellte. Sie erfuhren von Burgi und ihrem Enkelsohn Felix.
Von den glücklichen Hühnern, die mit ihnen lebten. Und von der Gabe Felix‘.
Peppilotti entrollte die Briefe von Johann und Lilly und war erstaunt, was es
in Wien alles zu entdecken geben würde. Doch insgeheim wusste die weise Eule,
dass sich eine Reise gut vorbereiten ließe, jedoch immer mit der Option, etwas
anderes kennenzulernen. Beschwingt und frohen Mutes begann sie ihren Rucksack
zu packen. Diesmal ermahnte sie sich, ihre Polaroid Kamera nicht zu vergessen.
Auch ihr Schlafanzug durfte nicht fehlen. In der Morgendämmerung verabschiedete
sie sich und trat ihre Reise nach Wien an.
Die ersten Kilometer waren schnell geflogen. Innerhalb
kürzester Zeit war sie in dem Großen Deutschen Eck, von wo sie nach Salzburg
und weiter nach Oberösterreich gelangte. Sie unterhielt sich immer wieder mit
den ansässigen Waldbewohnern, erfuhr so Manches über den immer stärker
werdenden Verkehr und darüber, wie viele Rehe und Wildschweine im Laufe eines
Jahres überfahren werden. Auch darüber, dass ihr Lebensraum immer knapper wird.
Sie flog weiter und kam über wunderschöne Landschaften in Oberösterreich an.
Schnell fand sie den Hof von Burgi und bereits von weither hörte sie Felix‘
Stimme. »Kickeriki, Kickeriki, Gogogo, Gogogo, wo seid’s denn, meine lieben
Hennen, wo?« In Windeseile liefen die Hühner zu Felix hin, schnurstracks in
seine Arme und ließen sich streicheln. Er sang ihnen Kinderlinder vor und die
Hühner „schnurrten“ wie Kätzchen, wobei sie ihre Augen sanft schlossen.
Beeindruckt von dieser Vorstellung setzte sich Peppilotti zu ihnen.
»Du musst Felix sein. Sag‘, wie machst du das, dass dir
die Hühner in die Arme fliegen? Ich bin beeindruckt! Mein Name ist Peppilotti
und ich komme aus dem Tiroler Land. Ich hörte von dir und deiner Omi und wollte
mir dieses Schauspiel nicht entgehen lassen!«, sprach sie ihn an. »Na, a Eul‘
mit’n Rucksock! Des glab‘ i ieatz nit. An Tiroler Huat, na sog, spinn i ieatz
oda wos? Oooomaaa, Oooomaaa, kim schnö, des glabst nit, wos i do siach!« Burgi
kam angerannt, hielt sich den Bauch vor lauter Lachen und sagte zu Felix: »Das
ist die Überraschung für dich. Das ist die Eule, von der ich dir erzählte. Sie
bleibt für eine Übernachtung bei uns. Na, was sagst? Cool, oder?«
Peppilotti erfuhr, warum Felix als „Hühnerflüsterer“ so
erfolgreich war. Durch einen tödlichen Unfall verlor er beide Elternteile.
Seine Oma und die Hühner gaben ihm das Gefühl wichtig zu sein. All seine Liebe
konnte er den Hühnern schenken. Und diese genossen es offensichtlich. Ein
erstaunlicher junger Mann – ein Kind der neuen Zeit, dachte sich Peppilotti
immer öfters, je mehr sie von ihm erfahren durfte. Nach einem deftigen
Surbrat’l mit Knödel und Sauerkraut legte sich die Eule zur Ruhe. Am nächsten
Tag, gleich nach dem Frühstück, verabschiedete sie sich und trat die
Weiterreise nach Wien an. Zuvor übergab sie Felix noch eine Feder und ließ ihn
und seine Oma in das Reisetagebuch eintragen. Unterwegs dachte Peppilotti viel
über die Schicksalsschläge der Menschen nach und wie jeder anders damit
umzugehen wusste.
Auf dem Weg zur „Gruft“, einer Einrichtung der Stadt für
Obdachlose, in der sie mit allem Nötigsten versorgt werden, spazierte
Peppilotti durch die Mariahilfer Straße. Eine der beliebtesten Einkaufsstraßen
Wiens. Völlig unbeeindruckt von ihrem Aussehen liefen die Menschen an ihr
vorbei. Die meisten starrten auf ihr Smartphone und bekamen links und rechts
von ihnen kaum etwas mit. Auf einer Bank vor einer Kirche ließ sie sich nieder,
öffnete ihren Rucksack und holte eine Jause hervor. Plötzlich stand torkelnd,
mit einer Dose Bier in der Hand, ein Mann mittleren Alters vor ihr.
»Schlawutzi, Kaputzi, hearst Oida, i man i tram. Stott
weiße Meis‘, siech i a Eul‘ mit’n Tirola Huat, na bravo, weit host es brocht,
Kurti-Burli! Reschpekt! I glab, i muas echt an Orzt aufsuachen, so geht’s nimma
weita! Do genehmig‘ i ma grod no a Schluck. Hick.«
Peppilotti wischte sich den Schnabel und stellte sich
vor. »Nein, nein, verehrter Kurti. Du siehst schon richtig. Bin leibhaftig eine
Eule mit Rucksack und Tiroler Hut. Weiße Mäuse siehst du vielleicht hin und
wieder, aber ich bin da, ganz real. Ich heiße übrigens Peppilotti und bin auf
dem Weg zur ‘Gruft‘. Kannst du mir eventuell den Weg zeigen?«.
Kurti setzte sich zu ihr hin und murmelte: »Ja, ja, die
‘Gruft‘. Ohne sie, wer weiß, wo ich jetzt schon wäre…« Nach einer kleiner Pause
setzte er sein Gespräch fort: »Ich war einmal ein staatlicher Mann mit einer
lieben Familie, einem Haus im Grünen, ein teures Auto vor der Türe. Dann kam
die Scheidung. Frau weg, Kinder weg, Haus weg, Auto weg. Alimente konnte ich
nicht mehr bedienen, mir blieb buchstäblich nichts von meinem Gehalt.
Irgendwann begann ich zu trinken und das Ergebnis siehst du vor dir. Das Leben
ist ein Sch…Kleister. Du hast es gut. Fliegst herum, kannst dir die Welt
ansehen, bist versorgt und hast keine Probleme – eine Eule müsste man eben
sein!«, seufzte er und setzte zu seinem nächsten Schluck an.
Peppilotti betrachtete diese traurige Gestalt und meinte:
»Ganz so einfach, wie du schilderst, ist es nun auch wieder nicht. Aber ja, ich
liebe das Leben und genieße es. Solltest du auch einmal ausprobieren. Das Glück
ist niemals außerhalb zu suchen, nur in dir. Magst du mit mir mitessen, ich
habe genug für zwei?« Nachdenklich nickte Kurti und antwortete: »Ja, da magst
du wohl recht haben, deine Worte tun mir gut. Kannst du mir sagen, wie ich von
all dem los komme? Ich habe schon mehrere Entgiftungen hinter mir, doch immer
wieder greif ich zum Alkohol. Ein Teufelszeug, dass sag‘ ich dir. Ich wünschte,
ich könnte so sein wie du! Und ich darf dir noch sagen, wir Wiener mögen euch
Tiroler, euren Charme, euren Dialekt – umgekehrt ist es oft anders…«
»Was hindert dich daran, lieber Kurti? Ich könnte dir
wohl einen Rat geben, aber möchtest du ihn wirklich hören? Bist du bereit für
Veränderung? Oder fühlst du dich eigentlich ganz wohl in deiner Opferrolle?« Sofort
wollte Kurti zum Angriff übergehen, als wie durch ein Wunder, ein heller Schein
auf ihn niederfiel. Peppilotti schmiegte sich an ihn und flüsterte ihm zu:
»Jetzt bist du bereit. Ich würde mich freuen, von dir zu hören. Wie es dir
ergangen ist. Du kannst mich jederzeit besuchen, ich notiere dir meine Adresse.
Servus lieber Kurti, ich muss weiterziehen. Und vielen Dank für dein
Kompliment, ich bewahre es in meinem Herzen auf. Erinnere dich, wer du in
Wirklichkeit bist. Hab‘ Vertrauen, alles ist gut!« Mit diesen Worten
verabschiedete sie sich, machte noch ein Foto von sich und Kurti, ließ ihn in
ihr Buch eintragen und flog weiter.
Durch die Begegnung mit Kurti erübrigte sich die „Gruft“
und so flog Peppilotti weiter zur Hofburg, besser gesagt zu den Pferden der
Fiaker. Sie wollte unbedingt mit ihnen sprechen. Bevor es soweit war, musste
sie sich erst durch die Menschenmenge durchboxen, die sie vor sich hatte.
Traubenweise Japaner, die ihre Kameras zückten, denn eine Eule in diesem
Aufzug, mitten in Wien, das musste festgehalten werden. Als Peppilotti endlich
bei den Fiakern war, wieherten diese vor Aufregung. »Iaha, Iaha, endlich bist
du da. Jetzt können wir dir berichten, wie es uns ergeht, tagein, tagaus. Täglich
führen wir Touristen durch die staubigen Straßen, durch den starken Verkehr. Im
Winter macht uns das Salz an den Straßen zu schaffen und im Sommer heizt sich
der Asphalt so stark auf, dass wir schreien könnten vor Schmerzen. Manche
Fiaker sind mit uns äußerst mitfühlend und trachten danach, dass es uns gut
geht. Manche sind wahre Bestien. Wir beide haben Glück mit unserer Fiakerin,
sie verwöhnt uns, wo immer es möglich ist, mit frischem Wasser, saftigen Äpfel
und knackigen Karotten. Und sie sorgt stets für ausreichenden
Wärme-Kälteausgleich. Eine wahre Perle. Nun gut, wir machen’s ihr auch leicht,
in dem wir nie störrisch sind. Außerdem ist sie eine der Wenigen, die uns
ausreichend Erholungsphasen spendiert. Bitte Peppilotti erzähle den Menschen
davon, vielleicht überlegt sich der Eine oder Andere so eine Fahrt mit uns.«
Peppilotti hörte aufmerksam zu, notierte sich einige
Stichworte in ihrem Buch, ließ die Pferde einen Fußabdruck in ihrem
Reisetagebuch tun und wanderte weiter.
Gleich neben der Hofburg fand Peppilotti die Spanische
Hofreitschule. Soeben wurde sie Zeugin einer fulminanten Show. Die hohe Kunst
der traditionellen Lipizzaner verzückte sie. Unbedingt musste sie mit diesen
edlen Pferden sprechen! Im Stall konnte sie sehen, dass es den Pferden gut
ging. Sie waren ausgelastet, sie verfügten über genügend Platz und Futter und
trotzdem sah Peppilotti einen Schatten in ihren Augen. Sie zog ihren Tiroler
Hut vor diesen Geschöpfen, stellte sich vor und begann eine Unterhaltung: »Seid
gegrüßt, ihr edlen Pferde! Wie ich sehe, ergeht es euch recht gut in diesen
heiligen Hallen. Doch bemerke ich eine gewisse Traurigkeit in euren Augen. Wie
kommt’s, wo ihr doch hier in einem Paradies lebt?!«
Da begann Altaras, der älteste Hengst zu sprechen: »Ja du
hast recht, uns geht es nicht schlecht hier. Es wird alles getan, damit wir
fein rausgeputzt sind, doch unsere wahre Heimat ist im Gestüt Piber, in der
Steiermark. Wenn du das nur sehen könntest, kein Vergleich mit hier! Hier
fühlen wir uns eingesperrt. In Piber hingegen, genießen wir die Freiheit tun zu
können, was wir wollen. Na ja, zumindest meistens. Dort werden wir geboren und
dürfen aufwachsen, zwischen grünen Feldern, frischen Wiesen und einer
herrlichen Ruhe. Wir bleiben bei unseren Müttern bis wir entwöhnt sind. Dann
beginnt das Training. Nur die Besten der Besten schaffen es bis in die
Spanische Hofreitschule. Wir vermissen die frische Landluft von Piber. Für zwei
Monate im Jahr bekommen wir Urlaub und fahren in unsere Heimat.« »Das ist ja
interessant, dorthin möchte ich auch reisen und könnte nebenbei meine kleine
Freundin Lilly besuchen, ja so werde ich es machen.«
Peppilotti bedankte sich bei den Lipizzanern, schoss noch
einige Fotos, ließ sie in ihr Reisetagebuch eintragen und verabschiedete sich.
Jetzt brauchte Peppilotti dringend Erholung. Sie flog zum
Schloss Laxenburg, das einen weitläufigen See beherbergte und ließ sich am Ufer
nieder. Schon bald kam ein Schwanenpaar angerudert und sagte verblüfft: »Nanu,
eine Eule in diesem Aufzug! Woher kommst du und was möchtest du hier am See?«
»Ich würde zu gerne mit dem Boot fahren. Einmal um den See. Das wollte ich
immer schon ausprobieren. Könntet ihr mir dabei behilflich sein?« Die Schwäne
schüttelten ihren grazilen Hals und luden Peppilotti ein aufzusetzen. So kam
sie in den Genuss einer Bootsfahrt der besonderen Art. Sie konnte sich nicht
genug satt sehen an all den Naturschönheiten, die sich ihr bot. Sie begegneten
Enten, Fröschen, Libellen und unzähligen Vögel. Die Menschen, die sie zu
Gesicht bekamen, staunten nicht schlecht. Es musste auch ein außergewöhnlicher
Anblick gewesen sein, eine Eule mit Rucksack und Tiroler Hut sitzend auf einem
Schwanenpaar. Die Kameras wurden gezückt und wieder einmal war Peppilotti so
etwas wie der Star des Tages. Und die Eule wusste es zu genießen.
Ihr nächstes Ziel war der Augarten, auf den sie sich
schon sehr freute. Sie flog von Ast zu Ast, plauderte mit den dort ansässigen
Tieren bis sie auf eine Frau aufmerksam wurde. Eine riesige Leinwand lag im
Gras und die Frau zauberte mit bunten Farben Bilder darauf. Jetzt wurde
Peppilotti neugierig, den von Kunst hatte sie bereits vieles gehört. Sie
gesellte sich zu der Frau, räusperte sich – irgendwo hatte sie einmal gelesen,
Künstler mögen es nicht gestört zu werden – und sprach: »Hm, hm, Verzeihung die
Störung, nicht erschrecken! Ich heiße Peppilotti, komme aus Tirol und bin
fasziniert von den Farben und Formen, die vor meinen Augen entstehen. Bist du
Malerin? Besitzt du eine eigene Galerie? Wie darf ich dich nennen?« Die Frau
blickte mit ihren hellblauen, klaren Augen auf, lächelte bezaubernd und
antwortete: »Wie schön ist das denn! Eine Eule interessiert sich für meine Kunst!
Ich fühle mich euch sehr verbunden und besitze sogar eine Eulenskulptur in
meiner Wohnung. Ich heiße Heike und nein, eine Galerie besitze ich noch nicht.
Wer weiß, vielleicht eines Tages… Zurzeit pendle ich viel zwischen Nizza und
Wien hin und her, da wäre eine Galerie nicht so passend. Ich verkaufe meine
Bilder über das Internet oder über meine Website. Weißt du, was eine Website
ist?«
Peppilotti nickte und lachte. »Nur weil ich eine Eule
bin, heißt es noch nicht, dass ich weltfremd sein muss, oder?« Die beiden
hielten sich den Bauch vor lauter Lachen. »Na, du bist mir eine Witzige.
Übrigens, ich werde dieses Bild ‘Jungle of Life‘ nennen, es kam mir soeben. Der
Dschungel des Lebens, wie findest du das?«, fragte sie die Eule. »Ich sehe, ich
kann dir nichts mehr lehren, wird wohl deine Skulptur schon übernommen haben…
Ja, Dschungel des Lebens finde ich sehr passend!« Sie verabschiedete sich von
Heike, machte noch ein paar Aufnahmen, hinterließ ihr eine Feder und ließ sie
in ihr Tagebuch schreiben. Zum Schluss drückte sie diese humorvolle,
lebensbejahende, fröhliche Frau an sich, rieb ihren Schnabel an ihrer Wange und
flog davon.
Peppilotti flog über das Schloss Schönbrunn, über den
Tiergarten, über das schöne Rathaus und über das Burgtheater. Dann flog sie in
einen Außenbezirk Wiens. Auf dem Heuberg nahm sie Platz im Garten eines
Heurigen. Ihr Blick schweifte über Wien, eine kleine Träne rann aus ihren
Augenwinkeln. Sie hatte so viele berührende und lustige Momente erlebt, sie
wollte eigentlich noch länger bleiben, doch sie wusste auch, wann es Zeit war,
zurückzukehren. Den Retourweg nahm sie über die Steiermark und Kärnten, wo sie
Lilly und Johann noch einen Kurzbesuch abstattete. Ebenso besuchte sie das
Lipizzaner Gestüt in Piber und war sichtlich beeindruckt. Jetzt konnte sie
verstehen, warum sich die edlen Pferde in Wien traurig fühlten. Sie flog über
Osttirol weiter in ihr Waldstück, in der sie die Bewohner bereits sehnlichst
erwarteten. Bis spät in die Nacht erzählte Peppilotti von ihren Erlebnissen,
präsentierte ihre Fotos und fiel müde in einen tiefen Schlaf.
Bist du neugierig, wohin Peppilottis nächste Reise führt?
Demnächst mehr…
Bis bald, deine Peppilotti ♥
© Andrea Mayr