Jorgos und Greta
Die meisten Gäste sind bereits gegangen. Die Tische stehen
wieder auf ihrem gewohnten Platz. Der enge Kreis der Freunde, bleibt noch etwas,
um gemeinsam zu singen, begleitet von Valentins schönen Gitarrenklängen. Sie
lassen den Abend Revue passieren, erzählen sich ihre Geschichten und lachen.
Irgendwann verabschiedet sich Greta und geht hinunter zum Meer. Vor der Taverne
gibt es nicht wirklich einen Strand, es ist nur ein aufgeschütteter Streifen
zwischen Meer und Brüstung. Auf einem Stein lässt sie sich nieder und genießt
dieses Schauspiel von funkelnden Sternen und den gleichmäßigen Wellenbewegungen
des Meeres.
In ihre Gedanken hinein, vernimmt sie ein paar Schritte
sowie ein Hundegebell. Freudig läuft ihr Chico entgegen und springt auf ihrem
Schoß. »Das trifft sich gut, liebe Greta, dass ich dich noch antreffe, ich
möchte mich gerne mit dir alleine unterhalten, ich hoffe, du hast nichts dagegen!«
In seiner Nähe fühlt sie sich zunehmend wohler. »Ach Jorgos, dass ich euch
beide heute noch einmal sehen kann! Ich war gerade versunken in dieses
gigantische Sternenmeer! Wie klein wir doch sind! Da fällt mir ein Lied ein,
von einem österreichischen Musiker, du wirst es nicht kennen, die Melodie
könnte dir gefallen!«
»Ich bitte darum!«, antwortet er und zaubert aus seiner
Jackentasche eine Flasche Wein und zwei Gläser hervor. »Die hat mir Aglaia
mitgegeben, sie meinte, es könnte länger dauern«, zwinkert er ihr zu. Sie
beginnt das Lied von Rainhard Fendrich, »A winzig klaner Tropfen Zeit« zu
singen, er summt mit, den auch Jorgos kennt es. Als das Lied zu Ende geht,
herrscht zwischen beiden ein Augenblick der Stille, keine unangenehme, eher
eine, wo jeder seinen Gedankenraum bekommt. Sie trinken ein Schlückchen Wein,
seine Augen leuchten, wie die Sterne am Firmament.»
Liebe Greta, magst du mir
etwas über dich erzählen? Was machst du in Innsbruck? Hast du eine Familie,
lebst du alleine?« Sie sieht ihn an, blickt zurück auf das weite Meer und
beginnt zu erzählen: »Nein, Jorgos, ich habe keine Familie mehr! Alle sind
bereits verstorben, auch meine Tochter! Sie starb, als sie noch sehr klein war,
einfach so! Am Morgen, als ich sie wecken wollte, war sie bereits für immer
eingeschlafen!« »Was für eine furchtbare Tragödie!«, wirft Jorgos ein.
»Das war vor 27 Jahren und noch immer vermisse ich sie!
Jahrelang hatte ich Schuldgefühle, hatte das Gefühl, eine schlechte Mutter zu
sein! Es war eine schlimme Zeit, die auch meine traumatischen
Kindheitserinnerungen wieder aufleben ließ. Einige Monate danach, verließ mich
mein damaliger Mann wegen einer anderen Frau, Verwandte gab es auch keine
mehr. Ich fiel in ein tiefes Loch, wollte nicht mehr leben und doch gab es
etwas, was mich Tag für Tag auf-stehen ließ, mich zur Arbeit gehen ließ, meinen
Alltag irgendwie überstehen ließ. Jahre später wurde mir bewusst, dass ich in
mir eine große Kraft trage, die mich all diese Schicksalsschläge überstehen
ließ!«
...Fortsetzung im Buch...
© Andrea Mayr
aus dem Roman: Greta und die feminin-magische Insel